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Auszug aus Band II

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Auf der Püntenwerft, v.l.: Maria Gerdes, Angela Schulte
(Foto: Maria Gerdes Nr. 355)

Vom 16. Jahrhundert bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts beherrschte die Emspünte den Mittellauf der Ems von Papenburg bis Rheine. Dieser alte bodenständige Schiffstyp ist bekannter unter dem Namen „Harener Emspünte“, weil er fast ausschließlich in Haren gebaut wurde und auch hier beheimatet war. Die zwei Werften „Sibum & Kötter“ und „Bernhard Sibum“ fertigten fast nur Schiffstypen an, die für die Binnenschifffahrt auf Ems und Hase und dem Wattenmeer geeignet waren.

An diese Schiffe (Ems- und Spitzpünten) wurden besondere für den Verwendungszweck in diesen Gewässern notwendige Anforderungen gestellt. Bei relativ geringen Dimensionen mussten die Schiffe stabil gebaut sein und wegen der Untiefen auf den Flüssen und im Watt bei Ebbe und Flut einen flachen Boden mit geringem Tiefgang haben. Die Pünte war ein technisch ohne große Probleme zu erbauendes Flussschiff. Es reichte ein einfacher Bauplatz mit einem geraden Uferstrich aus, da das Schiff oftmals quer zum Strom vom Stapel gelassen wurde.

Nach der Konstruktion einer einfachen Ablaufbahn aus Baumstämmen wurde mit dem Bau des platten, ca. 5-6 cm dicken Bodens begonnen, der meistens aus Tannenholz bestand. Nach dem Aufsetzen der Spanten mit Hilfe der ‚Krumhölzer‘ wurden die leicht geneigten Seitenwände angebracht. Dazu verwendete man etwa 5 cm dicke Eichenbohlen. Im Heck wurden die Seitenplanken spitz an einen geraden Steven geführt, der Bug bekam die typisch prahmartige Form. Nach dem Einbau der Heckkajüte und der Ruderhaltung wurden die entstandenen Fugen mit Werg aus gezupften Hanftauen gefüllt.

Das fertige Schiff strich man anschließend ganz mit dunklem Holzteer ein. Das schwere Heckruder, die Seitenschwerter, der Mast und die Segel wurden nach dem Stapellauf angebracht.

Nach 1858 sind in Haren mehrere gedeckte Spitzpünten gebaut worden, die in der Küstenschifffahrt Verwendung fanden. In Zeiten wirtschaftlicher Not, als durch den Wettbewerb mit der „Hannoverschen Westbahn“ die Transporte der Emsschifffahrt stark zurückgingen, dehnten wagemutige Püntker den Einsatzbereich der Harener Flotte weiter in Richtung Nord- und Ostsee aus. Die Form der Spitzpünte wich wesentlich von der der Pünte ab, denn das stumpfe Vorschiff der Emspünte mit der weit ausladenden Plattform war für die Küstenfahrt nur hinderlich.

Die neuen Segler wurden entweder vorn und hinten spitz zulaufend gebaut, oder die Seitenwände wurden zu einem Galionssteven herangezogen; sehr selten wurden sie kuffähnlich erstellt. In der Regel war der Boden flach und sie führten zur besseren Besegelung Seitenschwerter.

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Die einmastige Spitzpünte „CHRISTINE ENGELINE“, 1873 erbaut, besaß je ein Gaffelsegel, Gaffeltopsegel und Stagfock. Auch gab es anderthalbmastige Fahrzeuge, entweder mit zwei Pfahlmasten oder mit einer größeren Beseglung, wie man es bei der legendären Spitzpünte HELENE feststellen kann, die mehrmals den Atlantik überquerte.

Da die Harener Schiffbauer nicht über genügend Erfahrung zum Bau dieser größeren Segler verfügten, wurden auswärtige Schiffszimmerleute aus Papenburg und Diele angeheuert. Die Zeit der Spitzpünten stellte ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Harener Segelschifffahrt dar: Von 1860 bis 1902 waren elf dieser Schiffstypen in Haren beheimatet, die aber fast alle auf See verloren gingen. Aus jener Zeit stammt das Sprichwort: „Die Harener haben hölzerne Schiffe, aber eiserne Schiffer“.

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Holzhandel Das zum Bau einer Pünte verwendete Holz kam aus den unterschiedlichsten Regionen, denn nachweislich gab es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Haren so gut wie keinen Waldbestand mehr. So wurde das Deckholz oft aus Ostpreußen beschafft, ebenso die Masten. Aus den USA wurden die Pitchpine- Bohlen bezogen. Die Spanten wurden aus westfälischen ‚Krumholz‘ gefertigt; sonstige Balken aus westfälischen Hölzern, die regelmäßig nach Haren geflößt wurden. Ab 1920 kam auch Rundholz aus dem Oberwesergebiet.

Das Holz wurde von einem Sägegatter der windgetriebenen Telken-Mühle, die oberhalb der Einmündung des Haren-Rütenbrock-Kanals lag, für die Püntenwerften geschnitten. Später lieferte auch das Sägewerk der Gebr. Kötter entsprechende Holzformate.