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Ferner ist bekannt, dass der Harener Holzhändler Caspar Laurenz Huesmann in der Sommerzeit zeitweise bis zu 80 Holzhauer beschäftigte. Plante ein Schiffer eine neue Pünte zu bauen, dann kaufte er die Bohlen schon lange vorher, denn nur gut abgelagertes Holz garantierte eine Haltbarkeit des Schiffes von 30 bis 40 Jahren. Größe

Die Größe der Pünten stieg im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts immer mehr an. Noch um 1800 trugen die Harener Pünten je 30 Tonnen Fracht, während es bereits 1850 40 Tonnen waren. Die Püntker versuchten, durch größere Frachtvolumen konkurrenzfähig zu bleiben und steigerten die Größe ihrer Schiffe erheblich. Zwischen 1850 und 1900 stieg die Tragfähigkeit von 40 auf 120 Tonnen und erreichte um 1915 die maximale Größe von 196 Tonnen. Diese Fahrzeuge hatten eine Länge von 17,5 bis 26,5 m, eine Breite von 4 bis 5 und eine Raumtiefe von 0,75 bis 2 m.

Die Abmessungen der seegehenden Spitzpünten schwankten meistens zwischen 20 bis 26 m Länge, 5 bis 6,5 m Breite, 1,5 bis 2,75 m Raumtiefe und einem Raumgehalt von 45 bis 110 Bruttoregistertonnen. Baukosten Aus einem Kaufkontrakt des Schiffers Wilhelm Lohmann mit der Schiffswerft Bernhard Sibum aus dem Jahre 1910 wird ersichtlich, dass eine Pünte mit einer Tragfähigkeit von ca. 150 t, frei Wasser einschließlich Boot und Pumpe, 5.950 Mark kostete. Der Schiffer Reinhard Wessels ließ 1912 die Pünte HAREN 35 auf der Werft Sibum mit verstärkter Beplankung für 7.800 Mark bauen.

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HAREN 26, später ADELHEID
Bauherr des Schiffers war Joh. Herm. Esders. Bernd Backs kaufte die Pünte und
setzte sie besonders für die Harener Hartsteinwerke ein. Der Pitchpineboden wurde
nach der Abwrackung für den Neubau der Pünte THEA verwendet.
(Foto: Wilhelm Backs)

Pauschale Angaben zu den Baukosten sind daher nicht zu machen; aus den Unterlagen des Schiffsversicherungsverein Amisia hervorgeht, dass 1855 die kleineren Pünten zwischen 300 und 900 Thalern kosteten. Vergleicht man die Herstellungskosten einer Pünte mit dem Tageslohn einer erwachsenen Person, der im Jahre 1890 etwa 2 Mark betrug, werden die Finanzierungsprobleme recht deutlich.

Der Bau der Spitzpünte HELENE im Jahre 1891 verursachte wesentlich höhere Kosten, denn es wurde dreimal so viel Holz verwendet als für eine Emspünte; zur Finanzierung musste daher fremde Hilfe in Anspruch genommen werden.Stapellauf Zu diesem Fest wurden Verwandte und Bekannte des Eigners eingeladen. Sie erhielten, ebenso wie die Zimmerleute, eine 30 cm lange Tonpfeife mit Tabak. Dann mussten alle mithelfen, um das Schiff nach Anweisung des Schiffszimmermanns mit einem Holzhebel aus dem Klammern zu heben, die es noch auf dem Trockenen hielten.

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Damit es zu keiner Panne kam, wurde die Gleitvorrichtung mit Seife bestrichen. Bauzeit Die Leistungsfähigkeit der Werft war für die Bauzeit einer Pünte wesentlich. Das Fahrzeug konnte, wenn Eile geboten war, in ungefähr sechs Wochen fertig gestellt werden. Dies war aber nicht die Regel, denn aus dem ostfriesischen Raum ist bekannt, dass zwei Schiffszimmerleute in einjähriger harter Arbeit in der Lage waren, ein Muttschiff zu bauen. So war es nur mit einem großen Personalaufwand möglich, dass 1892 in Haren acht Emspünten gebaut wurden.

Die Kosten für den Neubau einer Pünte waren in der Regel so hoch, dass eigenes Kapital selten ausreichend zur Verfügung stand. Es gab weder öffentliche Kreditinstitute noch staatliche Förderungsmöglichkeiten. So musste Geld von den Kaufhändlern und Bauern der Umgebung geliehen werden. Dafür musste der Schiffer sein gesamtes Vermögen verpfänden. Mit der Gründung des „Creditvereins“ im Jahre 1902 kam es zu stärkeren rechtlichen Absicherungen. Fahrtzeit Pünten wurden entweder gesegelt oder getreidelt; die Art der Fortbewegung richtete sich nach den Windverhältnissen und der Beschaffenheit der Ufer. Auf der Oberems musste meistens getreidelt, auf der Unterems konnte bei gutem Wind fast immer gesegelt werden. Ließ eine hohe Schiffsladung das Setzen des Segels nicht zu, so wurde das Schiff mittels einer Zugleine vom Ufer aus durch ein Pferd gezogen, das entlang der Ems auf dem so genannten Leinpfad geführt wurde.

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War es nötig, das Ufer zu wechseln, konnte der Schiffer die Pünte mit dem prahmartig geformten schrägen Bug am Ufer anlegen und das Pferd mit dem Landgänger (Pferdeführer) an Bord nehmen. Wenn der Wind ungünstig stand und die Treidelpferde ausgefallen waren, zogen die Püntker ihr Fahrzeug selbst.

So war das Transporttempo von der Zugleistung und evtl. vorhandener Brisen abhängig: Eine Fahrt von Meppen nach Emden dauerte daher mindestens eine Woche.Fracht Um einen reibungslosen Emshandel zu gewährleisten, entschlossen sich die Emsschiffer im Jahre 1841, die Frachtsätze auf der Ems und Hase vertraglich festzulegen. So wurde für eine Fracht von 2 t von Leer bis Rheine ungefähr fünf Thaler bezahlt.

Die Fracht richtete sich nach dem Wasserstand, denn auch ohne Ladung brauchten die Pünten bereits ca. 35 cm Wassertiefe. In der Regel machten sie jährlich 6 bis 7 größere Reisen und brachten Getreide, Leinsaat, Öl, Spiritus, Hanf, Kolonialwaren, Ziegel, Metalle und Fensterglas zu Berg. Zu Tal wurden Schinken, Speck, Branntwein, Wolle, Eichenholz, Busch, Stroh und Kalke transportiert.

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Eine Pünte wird gelöscht (Foto: Hermann Krange)

Im Jahre 1858 kam es aufgrund der stark rückläufigen Emsschifffahrt nicht mehr zu weiteren Frachtpreisfestsetzungen. Durch die Konkurrenz der Eisenbahn konnten nicht mehr wirtschaftlich vertretbare Frachtsätzee für die Pünten erzielt werden.Ein Kassenbuch der Pünte HAREN 53 für die Jahre 1948 bis 1952 macht die Situation des Frachtenmarktes zum Ende der Püntenzeit deutlich: Das Fahrzeug wurde von Johann Gerdelmann im Jahre 1901 auf der Werft Kötter/Sibum erbaut. Es war ein Püntschiff aus Eichenholz mit Pitchpineboden; die Tragfähigkeit betrug 173 Tonnen.

Im Jahre 1955 erfolgte die Löschung des Schiffes im Register. Folgende Eintragungen sind zu finden:Die Pünte hatte sich in den Jahrhunderten ihres Einsatzes auf der Ems, der Hase, den Kanälen und Küstenregionen der Nordsee als robuster und zuverlässiger Lastenträger bewährt. Nach der Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals traten zunächst eiserne 500 Tonnen große Schleppkähne dazu in Konkurrenz. Bald herrschte ein gnadenloser Kampf um Frachten, und das Bild der Emsschifffahrt änderte sich in wenigen Jahren völlig.

Mit der Entwicklung der Motorschiffe war das Ende der Püntenschifffahrt endgültig eingeleitet. Leider sind keine originalen Pünten erhalten geblieben, viele verrotteten in einem alten Emsarm, der so genannten „Blauen Donau“.