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Nur mit großer Mühe überstanden die Harener Püntker den 30-jährigen Krieg. Das gesamte Emsland wurde geplündert, und für den alten Schifferort Rhede waren die Kriegsfolgen verheerend. Besaß Rhede 1620 noch 80 Pünten, waren dort nach dem Krieg nur noch 8 verzeichnet.
Eine Belastung für die Harener Schiffer waren Jahrhunderte hindurch die sogenannten Herrendienste, auch Frondienste genannt. Diese Herrendienste bestanden in der Emsschifffahrt aus der Bestellung von 2 längeren Püntenfahrten im Jahr für den Landesherren. Im Laufe der Jahrzehnte kam es aufgrund zahlreicher Bittschriften zu einer Erleichterung dieser Dienstbarkeit. Beim Bau des Schlosses Clemenswerth (1736 bis 1746) wurden den Püntkern bereits 14 Reichstaler für eine Fahrt von Rheine bis Lathen bezahlt.
Mit den Maßnahmen zur Schiffbarmachung der Ems erlebten die Harener Püntker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Blütezeit. So gelang es durch den Einbau von Buhnen und Korrekturarbeiten am Flussbett, die Ems bis Meppen auf eine Wassertiefe von 1 m zu bringen. Aber oberhalb von Meppen versprach dieses Verfahren keinen Erfolg. So wurde der 25 km lange Haneken-Kanal gebaut, der die Ems bei Hanekenfähr südlich von Lingen verließ und in die Hase im Stadtgebiet von Meppen mündete.
1810 zählte Haren 32 Schiffe mit 91 Mann Besatzung. Der Schiffsbestand der Harener Flotte vergrößerte sich von Jahr zu Jahr, so dass Haren um 1850 bereits 80 Pünten mit einer Ladefähigkeit von jeweils 50 bis 100 t besaß. Dabei dauerte eine Reise von Emden bis Rheine 6 Tage. Hatte man den Bestimmungsort der Ladung erreicht, gab es nicht die Gewissheit, gleich mit neuer Fracht das nächste Geld zu verdienen. Der Püntker musste sich um weitere Ladung selbst bemühen.
Mit der Eröffnung der „Hannoverschen Westbahn“ im Jahre 1856 fand die Aufwärtsentwicklung der Püntenschifffahrt in Haren ein Ende. Die neue Konkurrenzsituation spitzte sich weiter zu, als die Eisenbahn 1866 die Tarife für die von See kommenden Umschlaggüter senkte. Von diesem Zeitpunkt an verminderte sich der Verkehr auf der Ems. 1870 wurden in Haren nur noch 46 Pünten gezählt und die Sorgen der Püntker nahmen zu.
Pünte, Schleppschiff und Tjalk oberhalb der Emsbrücke in der Nähe der Telken Mühle
Die Telken Mühle war eine windgetriebene Sägemühle, die heute nicht mehr vorhanden ist.
(Foto: Carl Rahming, Roxel)
Während der Bauphase des Dortmund-Ems-Kanals in den Jahren 1892 bis 1899 halfen die Püntker mit ihren Fahrzeugen durch den Transport von Bruchsteinen aus Rheine. Auch Steinbrocken aus Holland und Ostfriesland wurden herangeschafft. Am 11. August 1899 war die große Zeit gekommen, dass die Emsschiffe nicht nur nach Norden, sondern auch nach Süden „Auslauf“ hatten. Harener Pünten fuhren von Papenburg nach Herne in W. und brachten das „schwarze Gold“ der Herner Zeche „Friedrich der Große“ ins Emsland und nach Ostfriesland.
Aber schon bald traten die neuen großen Schleppkähne in Konkurrenz mit den Pünten, da die Ausbaumaßnahmen des Kanals bereits eine Schifffahrt mit einem 600 t Schiff bei 1,80 m Tauchtiefe zuließen. Staatliche und private Großreedereien versuchten, den Verkehr an sich zu bringen. Die „Schleppschifffahrts-Gesellschaft Dortmund Ems“ begann mit einem Schlepper und fünf eisernen Schleppkähnen von zusammen 1.850 t Ladefähigkeit den Hölzerne Pünten wurden aus dem Verkehr gezogen und das Bild der Emsschifffahrt änderte sich völlig.
Zunächst verkehrten neben den größeren Schleppkähnen vorwiegend kleine, eiserne Schleppschiffe, die meist als Ersatz zur Pünte durch Harener Partikuliere angekauft worden waren. Die zunehmende Motorisierung machte sich aber auch recht früh im Bereich der Schifffahrt bemerkbar. Der Kahn, der auf den westdeutschen Kanälen von dem staatlichen Schleppbetrieb als Monopolgesellschaft geschleppt werden musste, wurde allmählich von dem Schiff mit eigenem Motorantrieb, dem Selbstfahrer, verdrängt.
Pünte und Motorsegler um 1933 (Foto: Anton Meyering, Nordhorn)
Verkehr auf der Ems. Ein Treideln war natürlich für diese Schiffe nicht mehr möglich. Die Harener Schiffer versuchten sich vergeblich mit dem Bau von größeren Pünten auf den neuen Verkehrsweg mit den veränderten Marktgesetzen einzustellen. Bald herrschte ein gnadenloser Kampf um Frachten. Am 7. März 1906 gründeten die Harener Schiffer deshalb eine Genossenschaft unter dem Namen „Schiffer-Transport-Verein Haren“. Das Hauptanliegen ihres Zusammenschlusses sahen die Mitglieder in der gerechten Verteilung der Frachten bei angemessener Vergütung.
Mit der Entwicklung des Dortmund-Ems-Kanal-Schiffes von 67 m Länge wurde das Ende der Püntenschiffahrt endgültig eingeleitet.
Der Katholische Volksbote vom 13.12.1927 schildert die Situation folgendermaßen:
„Motorschiffe als Schlepper sieht man seit einiger Zeit in ständig zunehmender Zahl auf den westdeutschen Binnengewässern. Namentlich die Harener Schiffer gehen mehr und mehr dazu über, ihre weniger beweglichen und weniger wirtschaftlichen Pünten durch Motorfahrzeuge zu ersetzen. Voran ein Schiff mit Hilfsmotor, darangekoppelt zwei bis drei motorlose Schiffe, so geht es in flottem Tempo flussaufwärts, flussabwärts. Mit Rohöl gespeist, bürgern sich diese Hilfsmotore immer mehr ein, ein Beweis ihrer praktischen Arbeitsleistung und Verwendbarkeit. Auf der Ems und dem Dortmund-Ems-Kanal machen sie die Frachtschiffe unabhängig von Wind und Wetter und flinker in der Bewegung.“
Püntensterben in der sogenannten Blauen Donau in den 50er Jahren
(Foto: Therese Jüngerhans)