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Der Bau der Pünte

Die Emspünte wurde auch Harener Pünte genannt, weil sie fast ausschließlich in Haren gebaut wurde und hier beheimatet war.
Die eigentümliche Form passte sich den Anforderungen der Schifffahrt auf der Ems an. Mehr noch, vielleicht hat die Ems sie mit all ihren Hindernissen sogar vorgeschrieben. Gefordert war ein Fahrzeug mit relativ geringen Dimensionen, einer stabilen Bauweise und wegen der zahlreichen Untiefen einem flachen Boden mit geringem Tiefgang.

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Pünte im Rohbau auf der Werft Bernhard Sibum an der Telkenmühle    
(Foto: Sammlung Schifffahrtsmuseum)

Hans Szymanski beschreibt 1934 in seinem Buch „Deutsche Segelschiffe“ die Pünte wie folgt:

„Die Emspünte, auch Harener Pünte genannt, war eine jahrhundertealte, bodenständige Schiffsform des nordwestdeutschen Küstengebietes.
Ihr flacher Boden war gewöhnlich an den Enden etwas aufgezogen und hinten mit einem Strack versehen. Sie hatten gerade, etwas nach außen geneigte Seitenwände sowie eine kantige Kimm, aber keinen Vorsteven, sondern ein prahmartiges Vorschiff. Die vorn zusammengezogenen Seitenwände ragten in einem Winkel von 45 Grad hinaus. Das Schiff war stumpf geformt, indem die Bodenplatten bis zum Deck reichten. Diese Bauart wurde gewählt, um das Zugpferd bequem an Bord nehmen zu können, wenn der Leinpfad das Ufer wechselte. Hinten liefen die Seitenplanken spitz an einem geraden, klotzartigen und senkrecht stehenden Steven heran, an dem das große Ruder befestigt war. Die Ruderpinne fuhr über dem Achtersteven. Bei größeren Pünten war vorn und hinten ein kurzes Deck vorhanden. Manchmal befand sich auf dem Achterdeck eine kleine Kajüte als Notunterkunft für schlechtes Wetter. Weit vorne stand in einem Koker der umlegbare Pfahlmast, an dem nur ein dunkles, großes Segel gefahren wurde. Dieses Segel wurde nur auf Pünten verwendet.
Das Oberliek wurde durch eine lange Rah gespreizt, wäh­rend das Mastliek durch eine Reihleine am Mast befestigt war. Die Pünten hatten keinen Kiel, so dass sie mit großen Seitenschwertern versehen waren, die eine Abdrift verhinderten und die Steuerfähigkeit erhöhten.“

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HAREN 38 auf der Werft Kötter. Wilhelm Kötter und Hermann Brümmer mit dem qualmenden 
Pecheimer beim Zuschmieren der vorher kalfaterten Nähte. Daneben der Boden einer Harener Pünte,
welcher oft für den Bau einer Binnenschiff-Spitzpünte wiederverwendet wurde.
(Foto: Sammlung Schifffahrtsmuseum)

In der Regel wurde der Boden aus 6 cm starken durchlaufenden Pitchpineplanken hergestellt. Die Seitenwände fertigte man meistens aus 5 cm starkem Eichenholz. Das Holz wurde so verarbeitet wie es gewachsen war. Die stumpfen Fugen wurden mit Werg abgedichtet und danach das Schiff mit Teer bestrichen. Der betreffende Schiffer musste schon etliche Jahre vor der eigentlichen Kiellegung damit beginnen, geeignetes Holz zu kaufen, das häufig aus dem waldreichen Paderborner Land und aus dem Teutoburger Wald zu den Schiffsbauern an der Ems gebracht wurde. Hier musste es nach dem Zuschneiden gut abgelagert werden. Bei solchen Voraussetzungen konnte eine Pünte 40 Jahre alt werden.

In dringenden Fällen konnte die Pünte in 6 bis 8 Wochen fertiggestellt werden, normalerweise dauerte der Bau jedoch länger. Um 1800 wurden Pünten mit einem Fassungsvermögen von 10 bis 15 Last (20 bis 30 t) gebaut. Ihre größten Ausmaße mit einer Tonnage von 150 t bei einer Länge von 27 m erreichte die Pünte um 1900.

Wenn das Schiff zu Wasser kann, wurden Freunde, Verwandte, Nachbarn und Bekannte des Eigners eingeladen. Zunächst mussten aber alle anfassen, damit die Pünte über eine Gleitvorrichtung, die mit Seife bestrichen war, zu Wasser gezogen werden konnte.

Zu jedem dieser Feste gehörte unbedingt eine lange Tonpfeife, die extra aus Holland bezogen wurde. Jeder der Teilnehmer bekam eine davon ausgehändigt, wobei der Werftbesitzer, der Schiffseigentümer und die nächste Verwandtschaft eine mit Papierschmuck erhielten.

Die Baukosten für eine Pünte von 150 t Tragfähigkeit beliefen sich vor dem 1. Weltkrieg je nach Ausrüstung und Stärke der Planken auf 6.000 bis 8.000 Mark. Selten stand dem Püntker ausreichendes Kapital zur Verfügung. So musste Geld geliehen werden, wofür der Püntker mit seinem gesamten Vermögen haftete.

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Die Pünte wird kalfatert und mit Teer versiegelt 
(Foto: Anton Meyering)     

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Stapellauf auf der Werft Sibum um die Jahrhundertwende          
(Foto: Sammlung Schifffahrtsmuseum)