202 WESSELS REEDEREI
1940 kaufte Reinhard Wessels die „LENA KATHARINA“, benannt nach den zwei verstorbenen Töchtern Lena und Katharina. Das Schiff war 1926 als Schleppschiff (Kastje) auf der Werft der Gebrüder van Diepen in Waterhuizen gebaut worden und wurde 1941 in vier Monaten auf der Werft Gebr. Elfring zu einem Küstenmotorschiff mit 230 t Tragfähigkeit umgebaut. Sofort nach dem Umbau wurde das Schiff für die Marine- und Luftwaffenverwaltung eingesetzt. Es diente als Inselversorger für die Organisation „Todt“. Später wurde die „LENA KATHARINA“ verlängert und erhöht.
1955 wurde als zweites Schiff das Küstenmotorschiff „BLINKFÜER“ gekauft. Das Schiff war 1931 auf der Marinewerft in Wilhelmshaven gebaut worden und hatte eine Tragfähigkeit von 270 t. Reinhard Wessels benannte das Schiff „HEINRICH WESSELS“, nach seinem in Russland gefallenen Sohn Heinrich. Anfang 1957 wurde das Schiff auf der Werft Schlömer in Oldersum um 8 Meter verlängert und zu einem Volldecker mit 360 t Tragfähigkeit umgebaut.
Nach dem Tode des Schiffers Reinhard Wessels im Jahre 1960 erhielt sein Sohn Kapitän Adolf Wessels die „HEINRICH WESSELS“.
Die „LENA KATHARINA“ übernahm sein anderer Sohn Kapitän Gerhard Wessels und führte sie 6 Jahre, bis sie nach Varel verkauft wurde.
Wie in Haren üblich, begann Gerhard Wessels (geb.1927) nach der Schulentlassung im Jahre 1941 als Schiffsjunge auf dem in der Familie geführten Schiff seine Ausbildung. Auch mit den Schrecken des Krieges, seinen zerstörten Hafenstädten und der bitteren Armut der Nachkriegsjahre kam er dabei in Berührung. Sie prägten sein späteres Leben.
Der Schifffahrtsbetrieb in der Familie wurde langsam wieder aufgebaut und Gerhard Wessels musste schon früh Verantwortung übernehmen.
Im Jahre 1949 erwarb er auf der Seefahrtsschule in Leer das Kapitänspatent und fuhr ab 1950 die „LENA KATHARINA“ als verantwortlicher Kapitän.
Nach dem Verkauf der „LENA KATHARINA“ im Jahre 1966, vollzog sich in der Harener Schifffahrt aufgrund der Einführung der Container im Frachtverkehr ein tiefgreifender Strukturwandel. Erhebliche Kapitalmengen waren für die größeren Schiffe erforderlich. Der einzelne Partikulier konnte diese Investitionen nicht mehr aufbringen. So blieben viele Harener Kapitäne an Land, bildeten Kapitalgesellschaften und wurden dadurch zum Reeder. Diesen Schritt wagte auch Kapitän Gerhard Wessels. Gleichzeitig war es der Beginn einer imposanten Reedereigeschichte.
CARGO-LINER II Foto: Reederei Wessels
Die ersten Neubauten seiner Reederei mit dem „CARGO-LINER“ Schiffstyp zeigten, wie er auf die Anforderungen des Marktes reagierte. Gefordert wurden in dieser Zeit völlig neue Typen und der Serienbau baugleicher Schiffe. Diesen Anspruch setzte Kapitän Wessels konsequent um.
Kapitän Gerhard Wessels hatte im Jahre 1972 in Berlin die Cargo-Liner Bereederungsgesellschaft gegründet und als erstes KG-Schiff 1973 die „CARGO-LINER 1″ bei der Werft Cramer & Booy in Koostertille bei Leeuwarden in Auftrag gegeben.
Es war ein seegehendes Binnenschiff mit versenkbarer Back und beweglichem Steuerhaus. Das Schiff war mit 953 BRT vermessen und hatte bei einer Länge von 80 Metern eine Tragfähigkeit von 1470 t. Gleichzeitig wurde der Volldecker als Küstenschiff für die Mittlere Fahrt klassifiziert, der später Reisen von Straßburg nach Lissabon, von Berlin nach Leixoes in Portugal oder von Berlin auf dem europäischen Binnenwasserstraßennetz ins frühere Jugoslawien gemacht hat. Die Konstruktion dieses seegängigen Motorgüterschiffes wurde von Kapitän Wessels ausgearbeitet. Nach heutigen Maßstäben war die Gesamtinvestition von 3 Millionen für ein solches Schiff recht gering.
Planet Bild: FotoFlite incorporating Skyfotos
Der gesamte bundesdeutsche Blätterwald griff seinerzeit die Neuheit auf:
„Ein Hochseeschiff für die Binnenstadt Berlin“, bemerkte die „Bunte Illustrierte“ und die Ostfriesen-Zeitung vom 16.09.1974 resümierte schließlich treffend:
„Kaufleute besser als Diplomaten…. . Kapitän Gerhard Wessels erhielt als einziger westdeutscher Reeder die Genehmigung, den Oder-Havel-Kanal zu befahren, um dadurch die Ostseeländer auf erheblich kürzerem Weg als über die vorgeschriebene Route Elbe – Hamburg zu erreichen. Der „Trick“ dabei war ein Vertragsabschluss mit der DDR. In die Schiffe werden ausschließlich 1360 PS starke SKL-Diesel vom VEB „Karl Liebknecht“ in Magdeburg eingebaut. Viel DDR-Prominenz war bei der Übergabefahrt dabei“.